Ein ältere Dame schaut lächelnd auf einen Stift, den die Pflegerin in der Hand hält. Beide lachen.

Orientierungs-Bingo im Pflegeheim

Das Projekt PROfit will Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern helfen, körperlich und geistig mobil zu bleiben. Ein Besuch in einer der teilnehmenden Einrichtungen.

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Montagmorgen in Berlin-Neukölln. Im Mehrzweckraum des Seniorenheims „Haus Rixdorf“ füllt sich der Stuhlkreis mit elf mehr oder weniger mobilen Bewohnerinnen und Bewohnern. Einige von ihnen tragen Sportschuhe, auf den Plätzen liegen bunte Igelbälle und Thera-Bänder für sie bereit. Der Wochenplan vor der Tür verrät, dass hier regelmäßig Gymnastik, Musizieren oder Sturzprävention auf dem Programm stehen – und ein Kurs namens „PROfit“.

PROfit steht für Prävention, Orientierung und Training

„Viele Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner sind körperlich wenig aktiv. Verbringen sie ihren Alltag größtenteils im eigenen Zimmer und bewegen sich höchstens zur Cafeteria, verschlechtert das ihre Gesundheit und Lebensqualität“, berichtet PROfit-Projektmitarbeiterin Madeleine Fricke von der Technischen Universität Berlin. „Um dem vorzubeugen, haben die TU Berlin und die Universitäten Duisburg-Essen und Heidelberg zusammen mit der Techniker Krankenkasse das Projekt PROfit ins Leben gerufen.“ In und mit derzeit 18 stationären Pflegeeinrichtungen werden Trainingspläne umgesetzt und evaluiert, um die Seniorinnen und Senioren zu mobilisieren und ihre räumliche Orientierung zu verbessern.

Im „Haus Rixdorf“ gibt es an diesem Tag eine Extrastunde PROfit. Sportwissenschaftler und Übungsleiter Thomas begrüßt die Runde herzlich. Los geht es mit kleinen Bewegungen zum Aufwärmen. Die Teilnehmenden tippeln mit den Füßen auf der Stelle und klopfen dabei mit den Händen locker auf ihre Oberschenkel. Dann nehmen alle ihre Thera-Bänder zur Hand. Thomas fädelt die bunten Gummibänder durch einen Gymnastikring in der Mitte des Sitzkreises und reicht den Teilnehmenden ihre Enden. Jetzt heißt es: Gut festhalten! Wenn alle gleichzeitig ziehen, können sie den Ring gemeinsam zum Schweben bringen.

Eine Therapeutin lehnt sich über eine sitzende ältere Dame und zeigt etwas auf einem Plan, den die ältere Dame in der Hand hält. Beide lachen.

Projekt PROfit

Das Projekt PROfit wurde von 2019 bis 2023 in insgesamt 18 Pflegeeinrichtungen im Raum Heidelberg, Duisburg-Essen und Berlin durchgeführt. In dieser Zeit nahmen insgesamt 453 interessierte Bewohnende am Programm teil und absolvierten jeweils zweimal pro Woche über zwölf Wochen ihre Trainingseinheiten.

Armtraining mit integriertem Denksport

Es gilt, den Ring in die Richtung bestimmter Orientierungspunkte im Haus zu bewegen. Wo befindet sich der nächstgelegene Fahrstuhl? Die Teilnehmenden beratschlagen kurz, dann zieht eine Hälfte von ihnen vorsichtig an den Bändern, ihre Gegenüber wiederum lockern den Griff. Der Ring wandert nach links. Und wo geht es zur Küche? Sie ziehen den Ring in die entgegengesetzte Richtung. Nun wird es schwieriger. In welcher Etage liegt das stillgelegte Schwimmbad? Schmunzeln bei denen, die schon länger hier wohnen. Mit den Bändern in der Hand heißt es, vorsichtig bücken. Der Ring wandert tiefer, denn das alte Schwimmbad befindet sich im Keller des Gebäudes.

Im nächsten Trainingselement soll das theoretische Wissen praktisch angewendet werden. Die Teilnehmenden müssen sich bei einem Rundgang durch Haus und Garten zurechtfinden. Über den Hinterhof und die Cafeteria wollen sie auf die große Terrasse gehen. Zwei Damen sind noch recht flott zu Fuß und kennen den Weg, sie schnappen sich eine Mitbewohnerin im Rollstuhl, die anderen folgen mit ihren Rollatoren. Unterwegs baut Thomas immer mal wieder kleine Bewegungsübungen ein – und viele Verschnaufpausen.

Die therapeutischen Mitarbeiterinnen Doreen und Katharina begleiten die Gruppe. Katharina berichtet, dass es manchmal knifflig ist, neue Kurse wie diesen in den Pflegealltag einzubauen. Die wenigen Gruppenräume sind zudem heiß begehrt. Da trifft es sich gut, dass PROfit von Ortswechseln lebt und auch Flure, Gartenwege und eben Sitzecken in den Kurs eingebunden werden können.

Eine Therapeutin macht eine Orientierungsübung mit Thera-Bändern und blauen Ball. Neben der Therapeutin sind zwei ältere Dame zu sehen. Beide halten das Theraband in den Händen.
Orientierungsübung mit Thera-Bändern und Ball.
Eine Therapeutin steht mit zwei älteren Damen an einer Gymnastikstange und zeigt eine Koordinationsübung.
Die therapeutischen Mitarbeiterinnen Doreen und Katharina begleiten die Gruppe.

„Vorhandene Potenziale der Bewohnerinnen und Bewohner zu fördern, verbessert nicht nur deren Lebensqualität, sondern erleichtert auch die Arbeit der Pflegenden.“

Beate Mende, TK-Gesundheitsmanagement

Neue Wege bringen neue Kontakte

Es wird schnell klar, dass neben der Aktivierung und Abwechslung im Wochenalltag vor allem der soziale Aspekt eine wichtige Rolle spielt. Hier treffen sich Leute aus verschiedenen Wohnbereichen, die sonst eher selten zusammenkommen. Das Programm macht ihnen Mut, sich auch eigenständig in andere Bereiche des Hauses zu begeben, um beispielsweise Bekannte auf anderen Etagen zu besuchen oder sich selbst etwas aus der Cafeteria zu holen.

Um den Orientierungssinn weiter zu schärfen, stoppt die Gruppe ihren Rundgang für eine Partie Grundriss-Bingo. Thomas hält eine Karte hoch. Schnell erkennen die Ersten: Das ist ein Plan vom „Haus Rixdorf“. Aber was befindet sich wo? Der Multifunktionsraum ist schnell gefunden, bei der Zahnarztpraxis dauert es etwas länger. Aber beim Friseur macht niemand den Bewohnerinnen und Bewohnern etwas vor. BINGO!

Eine ältere Frau berührt mit ihrer Hand eine ältere Person, die vor ihr sitzt am Arm.
Kontakte knüpfen und pflegen.
Eine Pflegebewohnerin hält einen Lageplan in der rechten Hand. Mit dem linken Zeigefinger deutet sie auf einen bestimmten Bereich im mittleren Bereich des Plans.

Unterstützung für Pflegeeinrichtungen

Die TK unterstützt stationäre, teilstationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen sowie Krankenhäuser dabei, gesundheitsfördernde Strukturen nachhaltig im Pflegealltag zu etablieren. Vorbeugende Maßnahmen stärken dabei die Gesundheit der Mitarbeitenden und fördern Eigenständigkeit und Wohlbefinden der Pflegebedürftigen. Interessierte Pflegeeinrichtungen unterstützt die TK finanziell und fachlich dabei, auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Projekte zum Gesundheitsmanagement zu etablieren. Die Grundlage dafür bildet der Förderantrag „Starke Pflege“. Dieser ist gleichzeitig ein Leitfaden, mit dem Einrichtungen ihre Vorhaben zur Gesundheitsförderung in der Pflege planen können. Rund 300 Einrichtungen haben dieses Angebot im Jahr 2023 genutzt.

Neben bestehenden Angeboten für pflegende und pflegebedürftige Menschen entwickelt die TK gemeinsam mit Universitäten und Hochschulen neue Konzepte, die gesundheitsfördernd und präventiv im Bereich der Pflege eingesetzt werden können – so zum Beispiel im Projekt PROfit.