Vorstandskolumne: Das digitale Dilemma durchbrechen

Warum die Digitalisierung für ein krisenfestes und innovatives Gesundheitswesen ein kritischer Faktor ist - eine Kolumne von Dr. Jens Baas.

Lesezeit 2 Minuten Lesezeit

Deutschland hinkt bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens im europäischen Vergleich weit hinterher. Für ein krisenfestes und innovatives Gesundheitswesen ist aber gerade die Digitalisierung ein kritischer Faktor. Corona hat gezeigt, dass die Resilienz des Gesundheitssystems in einer Pandemie stark abhängig ist von funktionierenden digitalen Prozessen und einer Datenverfügbarkeit in Echtzeit.

Dr. Jens Baas Vorstandsvorsitzender der TK

Dr. Jens Baas

ist Vorsitzender des Vorstands der TK. In dieser Funktion ist der promovierte Arzt für die Unternehmensbereiche Marke und Marketing, Finanzen und Controlling, Informationstechnologie, Unternehmensentwicklung, Politik und Kommunikation sowie Verwaltungsrat und Vorstand verantwortlich.

Mit den zwei großen Gesetzen – Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz – wurde Anfang des Jahres für das deutsche Gesundheitssystem die wichtige und längst überfällige gesetzliche Basis geschaffen, damit endlich auch in Deutschland digitale Tools wie elektronische Patientenakte (ePA) und
E-Rezept im Alltag der Menschen ankommen.

Woran es jetzt noch hapert, ist die praktische Umsetzung. Nur weil mit der Opt-out-Regelung ab 2025 für alle Versicherten eine ePA angelegt wird, bedeutet das noch nicht, dass die Befüllung der Akte künftig selbstverständlich zu jedem Arztbesuch dazugehört. Das ist aber wichtig, denn nur so durchbrechen wir die derzeitige Dilemmasituation, dass Versicherte kaum Ärztinnen und Ärzte finden, die die Akte befüllen. Damit sich die Akte etabliert und zum festen Bestandteil der Behandlungsroutine wird, muss sie einfach zu nutzen sein und einen Mehrwert bieten. Für alle.

Nutzerfreundlichkeit in der Arztpraxis bedeutet, dass das Ablegen der Daten in der ePA nicht zum bürokratischen Zeitfresser werden darf. Ich bin der festen Überzeugung, dass Ärztinnen und Ärzte die Akte nutzen werden, wenn sie erfahren, dass sie sie bei der Behandlung unterstützt. Das funktioniert nur, wenn die Akte nahtlos in die Praxissoftware der Arztpraxen integriert ist. Ärztinnen und Ärzte müssen ePA und E-Rezept komfortabel nutzen können und im Zweifelsfall die Möglichkeit haben, ihren Softwareanbieter ohne großen Aufwand zu wechseln.

 

„Ärztinnen und Ärzte müssen ePA und E-Rezept komfortabel nutzen können.“

Dr. Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der TK

Was die Nutzerfreundlichkeit der Akte angeht, sehe ich auch bei den Versicherten noch Luft nach oben. Weil Gesundheitsdaten als besonders sensibel eingestuft sind, ist die Anmeldung bei der ePA aufwendiger als die Eröffnung eines Bankkontos. Es ist umständlich, dass in Deutschland der Nachweis der eigenen Identität noch immer kartenbasiert erfolgen muss.

Noch ärgerlicher ist, dass die PIN, die man für die elektronische Personalausweisnutzung braucht, nicht mehr per Brief zurückgesetzt werden kann, sondern nur persönlich im Bürgerbüro. Das ist eine Rolle rückwärts, die uns bei der Digitalisierung in Deutschland unnötig zurückwirft.