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Gemeinsam gegen die Einsamkeit

Noch nie waren die Menschen so vernetzt wie heute. Dennoch ist Einsamkeit so verbreitet wie selten zuvor. Zeit, sich diesem Thema genauer zu widmen, das nicht nur gesellschaftliche Relevanz, sondern auch gesundheitliche Folgen hat: Denn chronische Einsamkeit erhöht nachweislich das Risiko für psychische und physische Krankheiten, wie zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, Angststörungen oder Depressionen.
Text: Johanna Küther

Der erste TK-Einsamkeitsreport zeigt, wie verbreitet Einsamkeit in Deutschland ist und welche Angebote es für Betroffene gibt. Denn: „Bei Einsamkeit kann es helfen, sich darüber auszutauschen. Viele Betroffene tun dies aber nicht, denn Einsamkeit ist immer noch ein großes Tabuthema“, sagt Dr. Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der TK. „Damit wollen wir als Krankenkasse aufräumen, denn wir Menschen sind auf sozialen Austausch angewiesen, um langfristig gesund zu bleiben.“ 

Was ist Einsamkeit?

Das Gefühl der Einsamkeit ist subjektiv. Laut wissenschaftlicher Definition versteht man darunter das unangenehme Gefühl, das entsteht, wenn die Qualität oder Quantität von persönlichen Beziehungen nicht den eigenen Bedürfnissen entspricht. 

Mehr Zahlen und Informationen gibt es im Einsamkeitsreport 2024 

Wie einsam ist Deutschland?

Die Mehrheit der Menschen in Deutschland kennt das Gefühl von Einsamkeit. Das zeigt die bevölkerungs-repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der TK, die dem Einsamkeitsreport 2024 zugrunde liegt. 

Einsamkeit trifft Jüngere gleich mehrfach

Junge Menschen sind nicht nur häufiger von Einsamkeit betroffen, sie fühlen sich durch das Gefühl auch stärker belastet.

Tabuthema Einsamkeit

Man(n) redet nicht drüber: Jeder dritte Mann (33 Prozent) und jede fünfte Frau (20 Prozent), der oder die von Einsamkeit betroffen ist, hat sich noch nie jemandem anvertraut. 

Rund 60 %

der Menschen in Deutschland kennen Einsamkeit aus eigener Erfahrung.

58 %

der Betroffenen, die nicht über ihre Einsamkeit sprechen, geben an, niemandem zur Last fallen zu wollen. 

Einsam in der Großstadt?

Pulsierende Metropolen mit unzähligen Angeboten kann man sich hier überhaupt einsam fühlen? Die Neurourbanistik beschäftigt sich mit dem Einfluss des Stadtlebens auf die psychische Gesundheit und das Stressempfinden. Und tatsächlich scheint in Städten der soziale Stress eine besondere Rolle zu spielen. Damit ist zum einen der Stress gemeint, der durch eine große Zahl von Menschen entsteht, und zum anderen der, der durch soziale Isolation verursacht wird. „Einsamkeit entsteht vor allem unter anderen Menschen, die um einen herum sind, denen man sich aber nicht zugehörig fühlt“, sagt Psychiater Prof. Mazda Adli, der zum Thema forscht.  

Spazieren gegen Einsamkeit

Mehr als 200 Frauen, die an einem sonnigen Sonntag gemeinsam spazieren gehen – was während der Coronapandemie begann, hat sich bis heute gehalten. Mittlerweile werden in vielen deutschen Städten die Frauenspaziergänge „Girls Talking & Walking“ nach amerikanischem Vorbild angeboten. In Frankfurt am Main möchten Vivien Eller und Gabriella Kineffs Einsamkeit verhindern, indem sie Raum für Begegnungen für Menschen schaffen, die auf der Suche nach Anschluss sind.

„So elementar wie Hunger oder Schmerz“

Drei Fragen an Janosch Schobin, Soziologe 

Wie hängen Einsamkeit und Gesundheit zusammen? 

Janosch Schobin: Einsamkeit ist ein Stressor, so elementar wie Hunger oder Schmerz. Also ein Signal, auf das das Individuum möglichst schnell reagieren sollte. Wenn das nicht geschieht, also in gewisser Weise die Einsamkeit chronisch wird, begünstigt das die Entstehung bestimmter Krankheiten. 

Was folgt daraus? 

Schobin: Heute geht man davon aus, dass Einsamkeit eine Zwei-Wege-Straße ist: Sie kann durch Krankheiten ausgelöst werden, aber auch bestimmte Krankheiten begünstigen. Wenn wir Einsamkeit also nicht nur als ein Symptom, sondern auch als eine Ursache begreifen, bietet Prävention ein enormes Potenzial.  

Wie unterstützt das Kompetenznetz Einsamkeit, kurz KNE, in dem Sie Experte sind? 

Schobin: Das KNE ist eine Initiative aus Fachleuten, Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und vielen Organisationen, die sich mit den Ursachen und Folgen von Einsamkeit beschäftigt. Wir sehen uns als koordinierende Stelle, die Angebote für sozialen Austausch und Nachfrage miteinander verbindet. Denn es gibt bereits viele Akteure, die sich gegen Einsamkeit engagieren. Nur wissen diese oft nicht voneinander. Außerdem listet unsere digitale Angebotslandkarte Kompetenznetz bestehende Projekte eine Möglichkeit der Orientierung für Menschen, die sich einsam fühlen und sozialen Anschluss suchen. 

Janosch Schobin
ist Soziologe und Experte im Kompetenznetz Einsamkeit.

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